Vorheriges Bild Hochwasser 2002 in Glashütte (Sachsen) Nächstes Bild

Startseite

"Original" (ca. 400 kB = 2160x1440 Pixel) Das Bachbett der Prießnitz an der Einmündung der Luchauer Straße zwei Wochen nach der Flut:
 Zurück zur Bildübersicht

Zur Fluss-Sanierung schreibt die Sächsische Zeitung am 04.10.2002:

Erzgebirgsflüsse - Schon wieder neue Korsette
Nach der Flut wurde zu viel aufgeräumt – nun wollen die Behörden umsteuern in Richtung ökologischer Hochwasserschutz

Nackter Fels hockt im Wasser, als sei er über Nacht gewachsen. Die tiefe Stelle ein Stück weiter, wo sonst drei Schwimmzüge möglich waren, ist nun normales Bachbett. Ungewohntes Licht flutet hinein in den engen Rabenauer Grund. Er ist kaum wieder zu erkennen. „Für mich war der Grund eines der schönsten Täler Sachsens. Aber der Anblick nach der Flut war niederschmetternd“, sagt Mario Marsch, der Forstamtsleiter von Tharandt.

Die Rote Weißeritz hatte hier die Herrschaft zurückerobert. Mit der großen Flut holte sie, was sie kriegen konnte: Die Bahnlinie, den Wanderweg entlang des Ufers, die Bäume. Jetzt dirigiert Mario Marsch seinen VW-Bus über einen schlammigen Weg. Immer wieder muss er Lastern und Baggern ausweichen. Mit einem Bauleiter klärt Marsch kurz ab, dass die Straße zu einem Wanderweg zurückgebaut wird. Die beiden fachsimpeln über Begrünung und Wegbegrenzung. „Kaum zu glauben, dass bald wieder alles begehbar ist“, wundert sich Marsch selbst.

In einem Jahr wieder eine grüne Hölle

Der Forstmann hat sich den Hut aufgesetzt und koordiniert die Beseitigung der Flutschäden. 35 Kilometer Weißeritz, Rote und Wilde, fließen durch sein Revier. Bis zu 20 Firmen haben hier zeitgleich gearbeitet, „ich hatte über Technik im Wert von 15 Millionen Euro zu bestimmen“, sagt Marsch. Ein Weg war das erste, was benötigt wurde. Haushohe Berge von angeschwemmten und umgerissenen Bäumen hatten sich verkeilt in der engen Schlucht, tonnenschwere Stahlbrücken lagen umgestürzt wie Staumauern im Fluß. „Wir mussten schnell hineinkommen. Es waren erneut starke Niederschläge angekündigt“, sagt der Forstmann. Mittlerweile sind die Arbeiten fast abgeschlossen und Marsch ist zufrieden mit dem, was er erreicht hat. Auch wenn der Rabenauer Grund aussieht wie ein gerupftes Huhn.

Mit Argusaugen schauen die Naturschützer in den Rabenauer Grund, immerhin Naturschutzgebiet. Sie klagen, der Forst habe hier zu viel abgeholzt. „In einem Jahr ist das eine grüne Hölle“, kontert Mario Marsch und zeigt auf den kahlen Rabenauer Grund. Jeden einzelnen Baum hätten die Forstleute begutachtet. Nur Bäume, die unterspült waren oder deren Rinde so stark geschädigt war, dass sie absterben, kamen unter die Säge. „Aber tote Bäume im Uferbereich sind nicht zu verantworten, das wird es nicht mehr geben“, sagt der Forstamtschef entschieden. Wie Geschosse sind entwurzelte Bäume in die Ortschaften gerast. Allein in der Stadt Tharandt haben Forstarbeiter 100 Lkw voll angespültem Holz abgefahren. Vorwürfe wurden laut, auch gegen den Forst. Doch kahle Ufer will auch Marsch nicht. Die standfesten Bäume bleiben stehen. Und auch die Stubben der tief wurzelnden abgesägten Erlen und Eschen. Aus denen werden Triebe schlagen, grün und biegsam. Das ist Marschs Vorstellung vom künftigen Rabenauer Grund. Einzelne Bäume mit Raum für ihre Wurzeln, Erlen und Eschen vor allem, und dichter Jungwuchs. Der würde nicht nur dem Hochwasser standhalten: Er verlangsamt auch die Fließgeschwindigkeit des Wassers und hält Treibgut zurück.

Die Ufer am Weg sind nicht mehr gemauert, sondern mit großen Felsen befestigt. An Wiesen gegenüber hat Marsch schräge, flache Böschungen anlegen lassen, darauf soll das Wasser ausweichen. „Unnötige Uferbefestigungen an den Wiesen sollen verschwinden“, fordert Immo Grötzsch, der Kreisnaturschutzbeauftragte. „Das will der Forst auch veranlassen, so lange die Bagger noch da sind.“

Fein säuberlich eine neue Uferbefestigung gebaut

Woanders muss schwere Technik wohl wieder hin, beispielsweise in den Ölsengrund. Dort erwarb der Sächsische Heimatschutzverein Grund und Boden, um im Naturschutzgebiet die Gottleuba zu renaturieren. Was Geld und Aufwand kostet, besorgte die Gottleuba am 12. und 13. August auch hier höchstselbst. Sie packte sich meterlange Inseln aus Gestein in ihr Bett und formte die Ufer. Fast wie ein Hochgebirgsfluss sah die Gottleuba aus. Gerüstet auch für ein neues Hochwasser. Die Schotterbänke bremsen die Wucht des Wassers, die Ufer lassen sie ungefährlich übertreten. Doch auch bis hier stießen die Bagger vor und beseitigten den von der Natur geschaffenen Hochwasserschutz. Die Schotterbänke wurden abgetragen und fein säuberlich als neue Uferbefestigung aufgeschüttet.

„An den Flüssen wird schon wieder zu sehr klar Schiff gemacht“, zürnt Manfred Quaas vom Regionalverband des Naturschutzbundes. Mit wachsender Sorge beobachten Naturschützer die Aufräumarbeiten entlang der Flüsse im Weißeritzkreis und im Landkreis Sächsische Schweiz. „Die Fehler der Vergangenheit werden wiederholt“, warnen Bund für Umwelt und Naturschutz und der Naturschutzbund unisono. Aus ihrer Sicht gehen die Arbeiten zu weit: Schon würden die Flüsse und Bäche in neue Korsette gezwängt, die Ufer abgeholzt und Überschwemmungsflächen ignoriert. „Mehr als einen Monat nach der Katastrophe sollte jetzt Zeit sein, vernünftig nachzudenken“, sagt Quaas beschwörend. Beispiele gibt es mehrere: Im Müglitztal, zwischen Dohna und Schlottwitz, sei der Fluss sogar enger und tiefer gelegt worden, obwohl er dort nur durch den Wald fließt. Im Seidewitztal sei außerhalb der Ortschaften der Bach ausgeräumt worden. Dabei werden die Chancen vertan, durch natürliche Flussläufe die Auswirkungen von Hochwasser auf bewohntes Gebiet zu mildern, klagen die Naturschützer.

Im Müglitztal hat sich auch der Präsident des Landesamtes für Umwelt und Geologie gewundert. „Die Straße wird an der selben Stelle gebaut, auf einem Damm aus feinem Schotter. Beim nächsten Hochwasser findet sich das doch alles in Dohna wieder“, sagt Michael Kinze nach einer Stippvisite. Gewundert haben sich auch die Schweizer Spezialisten, die Kinze begleiteten. Dort legt man Straßen im Gebirge tiefer, neben die Flüsse. Die werden bei Hochwasser zwar überschwemmt und müssen dann auch mal zwei Wochen gesperrt werden. Aber so gewinnt das Wasser auch in engen Tälern mehr Raum und wenn es zurückgeht, ist nicht der ganze Straßendamm flussab entschwunden. „Die spritzen die Straße sauber und fahren wieder drauf“, sagt Kinze. Natürlich müssten alle Ortschaften wieder erreichbar sein, zumindest provisorisch. Aber dann sollte man doch jeden Flussabschnitt genau hernehmen und schauen, wo und wodurch Schäden entstanden sind. „Mit Sorge beobachten wir, dass ohne genaue Analyse schon wieder überall gebaut wird.“

Die Bagger werden vorerst abgezogen

Ein Grund: Offenbar legen jede Menge Behörden an den Flüssen unkoordiniert Hand an. Von Straßenbauämtern bis zur Landestalsperrenverwaltung, von Kreisverwaltungen bis zu den Kommunen. Und alle bauen und baggern. Nur Naturschutzbehörden saßen lange in den Amtsstuben. So gab es anfangs Dienstwagen für Gewässerbau-Experten, nicht für die Naturschützer, so heißt es bei Mitarbeitern. Dabei ist deren Fachwissen durchaus gefragt. Mit dem Hochwasser haben die Flüsse ihre natürlichen Bedürfnisse deutlich angemeldet. „Nunmehr gibt es zwar jede Menge Protokolle und Vor-Ort-Termine. Aber die Bagger rollen und es ist nicht erkennbar, wer die Fäden zieht“, so ein Naturschutz-Beamter.

Jetzt soll umgesteuert werden. Das Motto soll sein: Wir haben verstanden, so die Signale aus dem Umweltministerium. „Es ist uns bewusst, dass bei den Aufräumarbeiten zu viel des Guten getan wurde“, räumt Pressesprecher Dirk Reelfs ein. „Wir müssen aus dem Hochwasser Lehren ziehen, zum Teil aber ist das Gegenteil eingetreten.“ Für November ist nun eine Experten-Anhörung geplant.

„Es wird für jeden Flusslauf ein Gesamtkonzept geben“, sagt Hans-Jürgen Glasebach, Chef der Landestalsperrenverwaltung. Die Bagger werden nächste Woche außerhalb der Ortschaften überall abgezogen. „Wir werden die Flüsse naturgerecht belassen, weg von Stützmauern, hin zu Böschungen. Dazu mehr Überschwemmungsflächen und Öffnung von verrohrten Bächen.“ Seine Behörde stimme sich mit dem Naturschutz ab, noch sei nichts verloren. Die Uferbefestigung an der Gottleuba war eine „Entgleisung“, sagt Glasebach. Sie soll rückgängig gemacht werden.

von Frank Tausch

Ortsrundgang
Geschichtliches
Veranstaltungen
Wandern
Heimatverein
Bildergalerie
Neue Seiten

   Zur Stadt Glashütte

Elektronische Post an: Alfred KamusellaHinweise