Vorheriges Bild Hochwasser 2002 in Glashütte (Sachsen) Nächstes Bild

Startseite

"Original" (ca. 300 kB = 1922x1440 Pixel) Das diese Bleche durch die Flutwelle weggespült wurden, kann man sich noch vorstellen. Weniger vorstellen kann man sich dies bei den zentnerschweren Gehwegplatten:
 Zurück zur Bildübersicht

Die Sächsische Zeitung am 28.09.2002:

Der Alltag bleibt schwer, anders schwer
Glashütte und Schlottwitz atmen auf

Zwei Paar Wiener, ein Stück Sülze. Bei Bierschinken fällt der Strom aus. Die Zahlen auf der Waage verblassen. Die Verkäuferin lächelt resignierend. Immer wenn Fleischermeister Schütze versucht, eines der gereinigten Geräte in Gang zu setzen, springt die Sicherung heraus. Irgendwo steckt immer noch Nässe.

Und doch bleibt es ein Wunder. Wie das Leben einfach so weitergeht. Wie sich die Leute aufraffen. Wie manche über sich selbst hinausgewachsen sind. Wer in Glashütte oder in einem Ortsteil wie Schlottwitz in den Tagen der Flut die Schuttberge sah in den Straßen und das Meer aus Schlamm, ahnt, wie hier gearbeitet worden sein muss. Selbst die Straße gibt es wieder, die ihren Mittelstreifen ins Wasser versenkte. Fußwege wurden in einer Geschwindigkeit gepflastert, als seien Hexenmeister am Werk. Die Sportplätze sind zumindest als Fläche wieder erkennbar. In der Bäckerei Degenkolbe, die doch kaum mehr als ein paar bunte Teigschaber gerettet hatte, duftet es nach frischem Brot. Es ist nicht zu fassen. Hellbraun glänzend liegt Laib an Laib. Dass es ein so wunderbares Brot geben kann.

Der Alltag bleibt schwierig, anders schwierig. Jetzt werden Schäden gezählt und die Schulden. Beide Zahlen verändern sich täglich. Und immer nach oben. Allein die kommunalen Schäden liegen bei 7,3 Millionen Euro. Noch hat keiner der Betriebe aufgegeben. Aber einige wanken gefährlich. Noch stehen alle Häuser. Aber an manchen klebt die Warnung „Einsturzgefahr“. In Schlottwitz gibt es wohl kein Gebäude, dass nicht in der Nässe stand. Wem wird zuerst geholfen? Wer bekommt wie viel Hilfe? Und welche Firma erhält welchen Auftrag? Es müsste einer ein heiliger Apostel sein, um für vollkommene Gerechtigkeit zu sorgen.

Der Stadtrat von Glashütte versucht es trotzdem. Er beschloss Anfang der Woche eine „Prioritätenliste“ samt Aufträgen. Ganz oben: die Abwasserkanalisation in Glashütte und Schlottwitz. Da herrscht noch das Provisorium. Dann: Reparaturen an Brücken, Stützmauern, Uferböschungen. Wo sich die Prießnitz am Markt durch ihr altes, fein rund gemauertes Gewölbe nach oben gekämpft hat, wird mit Reparatur nichts zu retten sein. Wörter fallen wie „Eilbedürftigkeit“ und „Schadensvorrang“. Planungsbüros vergleichen die Angebote. Bürgermeister, Bauamtsleiter und Kämmerin diskutieren die Hilfspetitionen. Jede Entscheidung geht bis ins Detail, jede wird ernst genommen. Weil es eben keine Lappalie ist, ob der Schlottwitzer Sportverein ein Ballfangnetz erhält oder nicht. Alles andere braucht er sowieso neu.

Manche Entscheidung wird aufgeschoben. Keiner weiß heute, ob und wo Glashütte wieder ein Freibad bekommt. Unterm Rückhaltebecken steht es jedenfalls falsch. Aus der Flut sah gerade noch der Sprungturm heraus.

Müglitz und Prießnitz spielten verrückt

Frank Reichel, der Bürgermeister von Glashütte muss sich vorgekommen sein wie der Rattenfänger von Hameln, als er an jenem 12. August die Leute von der Straße lockte. Aber wenn einer beharrlich und ausdauernd reden kann, dann er, der gerade sechzig geworden ist und seit 1990 für die CDU im Rathaus sitzt. Er warb, er warnte, er drohte: Das Wasser wird kommen, der Damm brechen. Und wurde angeguckt, als sei er im Kopf nicht ganz klar. Am liebsten hätte er die Schüler an die Leine genommen, die rauchend in der Imbiss-Stube hockten. Heute sagt mancher: Reichel hat mir das Leben gerettet.

Spät kam der Anruf vom Dresdner Katastrophenamt: Habt ihr alles getan, um Schaden zu verhindern? „Das hatte ich mich selber die ganze Zeit schon gefragt“, sagt Frank Reichel. Es blieben ja nur wenige Stunden. Nicht nur die Müglitz, auch die Prießnitz spielte verrückt. Wo sie sich trafen, tanzten sie einen wilden Tanz. „Wir hatten Glück, dass die Flut nicht in der Nacht kam“, sagt Reichel. Die Diskussionen über die neue Höhe des Dammes verfolgt er mit Skepsis: „Ich glaub schon gar nicht mehr an die Standsicherheit von irgendwas.“

Inzwischen ist das Loch geheilt, dass er sich im Gummistiefel gerieben hat. Inzwischen hat der Bürgermeister neue Sorgen. Der Urlaub wird weiter verschoben. Reichel wäre eigentlich im Frühherbst nach Zingst gefahren. Oder lieber nach Österreich. Es hat weniger Wasser.

von Karin Großmann

Ortsrundgang
Geschichtliches
Veranstaltungen
Wandern
Heimatverein
Bildergalerie
Neue Seiten

   Zur Stadt Glashütte

Elektronische Post an: Alfred KamusellaHinweise