Als am 8. Juli 1927 nachmittags und abends auf die waldfreie
Hochfläche zwischen Mückenberg und Sattelberg mehrere schwere
Wolkenbrüche fielen, schossen die gewaltigen Wassermassen wie
eine Lawine auch in unser Müglitztal. Durch die Kniebildungen
des Tales wurden sie hinüber- und herübergelenkt.
"Prallufer" heißt die Außenseite einer derartigen
Krümmung, "Gleitufer" die Innenseite. Am Prallufer
kam die volle Stoßkraft des Wassers zur Wirkung. Hier wurde
jedes Menschenwerk am ärgsten mitgenommen. Die ehemals
Leglersche Wirtschaft unterhalb des Bärenhecker Sägewerkes war
ein Trümmerhaufen. Am nächsten Knie lagen die
Eisenbahnschienen korkzieherartig verdreht. Am nächsten
Prallhang wurde die Schüllermühle arg mitgenommen. An der
damals Wolfschen Drechslerei verschwand die Straße auf etwa 50
Meter. Vom Prallhang hinter der Brauerei an suchte die Müglitz
wieder ihr "altes" Bett auf bis zur Prießnitzmündung.
Der "Basteifelsen" lenkte den Strom zum Schmiedelschen
Hause und wandelte es zur Ruine. Von der abgeprallten Flut
wurden die schweren Brücken oberhalb und unterhalb der
Haltestelle Dittersdorf weggerissen wie 1897. Ihre dicken
Eisenträger lagen gekrümmt im Geröll. So wiederholte sich die
Verwüstung in der Nähe der Prallstellen im Tale, während am
Gleithange Straße, Eisenbahn und Haus fast unversehrt blieben.
Arge Zerstörung entstand auch durch das Schwemmgut:
Baumstämme, Balken, Steinblöcke und Eisenbahnwagen. Die
Kurfürst-Moritz-Brücke vermochte dem gewaltigen Anprall nicht
standzuhalten. Das alte Kulturdenkmal ging in Trümmer. (Aufn.
Hauswald, Glashütte):
Dazu ein Erlebnisbericht:
"Abends in der elften Stunde weckte mich mein Vater und
rief: "Es ist Hochwasser, aufstehn!" Ich ging schnell
zum Fenster. Da sah ich schon das Wasser über die Müglitz
treten. Ich hatte mich kaum angezogen, so hörte ich ein
Prasseln, Krachen und Donnern. Da wälzte sich auch schon die
Flut auf der Straße. Was war das für ein schrecklicher
Anblick! Riesige Stämme, Holz, Eisenbahnwagen und alles
mögliche führte die Flut mit sich. Ich konnte gerade noch
sehen, wie es die Reklamewand bei Kaisers mit fortriß. Mir
wurde bang ums Herz. Heute Nachmittag war ich noch in der
Müglitz gewesen, und jetzt schon so eine Flut. Wir standen alle
bei uns im Hause auf der Treppe. Bis ziemlich an den ersten
Stock stand bei uns schon das Wasser. Wir dachten: Jetzt sind
wir verloren. Wir waren alle Augenblicke bereit, mit dem Hause
in die Fluten zu stürzen. Man hörte nur das Brausen der Flut
und das Krachen und Donnern. Auf einmal war es uns, als müßte
alles über uns zusammenstürzen. Wir dachten, bei uns wäre die
Hausecke weggerissen worden. Es waren zwei Bahnwagen gewesen,
die an die Moritzbrücke geschleudert worden waren. Davon war
sie eingestürzt. Ich dachte: Wenn wir nur aus dem Haus heraus
könnten! Aber wir konnten nicht nach vorn noch hinten raus.
Nentwigs Backhaus fiel um. Und Herr Nentwig steckte noch drin.
Auf einmal hörten wir es Hilfe rufen. Wir wußten aber nicht
wo. Da blitzte es und wir sahen, daß Herr Nentwig auf dem
Backofen kauerte und um Hilfe rief. Da haben die Männer von
unserem Haus schnell eine Leine hinuntergeworfen und ihn
heraufgezogen. Frau Nentwig hatte bis zum Hals im Wasser
gesteckt. Auch das Dienstmädchen hatte man in ihrem Zimmer
gefunden. Dann wurde es langsam hell, und ich sah, daß es vor
unserem Hause zwei Eisenbahnwagen hingespült hatte. Die Linde
vor unserem Hause und die Eisenbahnwagen waren vielleicht unsere
Rettung gewesen."
Aus "Das war - das ist unser
Glashütte", S.78ff.
Heimatbuch zur 450-Jahrfeier
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