Auf dem Bild der Bahnhofplatz mit umgeworfenem Zug (Aufn. Rische,
Glashütte):
Dazu ein Erlebnisbericht:
"Ich war im Begriff, nach Bärenhecke-Johnsbach zu
fahren, um Besorgungen zu erledigen. 21 Uhr ging der Zug unter
Donnern, Blitzen und stark strömendem Regen in die tiefschwarze
Nacht ab, um das schöne Müglitztal zu durchfahren. Es war
nicht möglich, etwas zu sehen, nur beim Blitzen sah man, daß
die Müglitz immer mehr anschwoll und die Gefahr in Schlottwitz
so groß wurde, daß von dem vorsichtigen Zugpersonal alle
Brücken, ehe sie befahren wurden, erst untersucht wurden. Mit
etwas Verspätung trafen wir in Glashütte ein. Tiefschwarz war
die Nacht, außer Pechfackeln keine Beleuchtung, keine
Verbindung war zu erlangen. Jetzt hieß es warten. Ich stieg mit
der Mehrzahl der Fahrgäste aus, ein Teil blieb sitzen, man
wollte dort die Zeit abwarten; wir gingen in den Gepäckraum,
den wir aber auf Anordnung verlassen mußten. Nachdem wir fast
eine Stunde im Wartesaal zugebracht hatten, erschien ein
Beamter, rief "Hochwasser!" und verschwand wieder.
Jetzt hieß es, rette sich, wer sich retten kann! Ich hatte mit
zwei Johnsbacher Lehrern eine Unterhaltung und schlug vor, auf
der anderen Seite des Bahnhofes ins Freie zu kommen, aber leider
unmöglich. Meterhoch kam das Wasser gestürzt und stieg, wie
schon geschrieben, so schnell, daß es binnen drei Minuten den
Höchststand erreicht hatte. Ich stieg auf eine Bank; alle
Fenster und Bänke waren besetzt, alles schrie entsetzlich um
Hilfe; dabei sah ich, daß die Fluten den Personenzug abtrieben,
teilweise in die Müglitz, teilweise auf die Seite legten. Noch
schrecklicher wurde das Hilferufen der Darinsitzenden. Alle
Lichter im Zug erloschen. In diesem Augenblick drückte ein
Holzklotz die nach der Bahnseite befindlichen Türen, Fenster
und das Büfett ein. Meterhoch strömte das Wasser herein,
entsetzliches Schreien und Jammern vereinte sich mit dem Toben
und Brausen des Wassers. Lehrer Hasler, der mit mir auf der Bank
stand, sprang herunter und schwamm nach dem Fenster zu seinem
Kollegen. In diesem Augenblick hob sich die Bank und ich
stürzte ebenfalls in die Fluten. Ich hielt mich an der Bank
fest und wurde mit ihr und durch Schwimmen an das Fenster
getrieben, wo die beiden Lehrer standen, die mich mit
äußerster Anstrengung hinaufzogen. Unterdessen war Stillstand
eingetreten, aber doch waren wir bis zur Brusthöhe noch im
Wasser. Das Klagen einer Frau war plötzlich verschwunden, und
ich glaube sicher, daß sie ihr Ende gefunden hat. Langsam ging
nun das Wasser zurück, so daß wir gegen 3 Uhr von der
Feuerwehr gerettet werden konnten. In liebenswürdiger Weise
fanden wir bei den Bewohnern Unterkunft, wofür ihnen noch an
dieser Stelle gedankt sei."
Sofort nach Bekanntwerden der ungeheuren
Katastrophe im Osterzgebirge (Gottleubatal, Seidewitztal,
Müglitztal) begann das Eile gebietende Hilfswerk. Tausende
selbstlose Helfer eilten herbei. Um ein geordnetes
Wiederaufbauen bemühten sich vier Notbauämter, davon zwei für
das Müglitztal in Weesenstein und Lauenstein. Es war eine
regsame Zeit in unserem Tale. Am 15. November traf wieder der
"erste" Zug in Glashütte ein.
Aus "Das war - das ist unser
Glashütte", S.78ff.
Heimatbuch zur 450-Jahrfeier
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