Der Blick von der Bastei in das Müglitztal abwärts in Richtung
Schlottwitz zeigt auch starke Verwüstungen:
Die Verwüstungen im Müglitztal zog eine
Welle der Solidarität nach sich, wie beispielhaft die
Sächsische Zeitung am 06.09.2002 berichtete:
Spende an den Mann gebracht - Geld vom
Haselbach fürs Müglitztal
Bürgermeisterin übergibt symbolischen Scheck in Glashütte
Die Szene ist bizarr: Eine Unruhe mit
chinesischen Zeichen baumelt ruhig im Wind und sanfte Töne aus
Metall streifen durch die Luft. Dahinter eine Tür, in deren
Glasscheibe eine große gezackte Lücke klafft. Hindurch sieht
man in einen Raum, dessen Wände bis in Brusthöhe mit einem
braunen Schlammteppich beschmiert sind. Und hinter dem Haus plätschert
gemächlich ein Bach, als ginge ihn das alles gar nichts an. Er
heißt Müglitz.
Wer die Müglitz so sieht, kann sie getrost mit
der Pulsnitz vergleichen. Doch wie der Fluss Mitte August das
Tal am Fuße des Osterzgebirges zerstörte – das scheint
einmalig. Ebenso einmalig, wie die nach der
Hochwasserkatastrophe aufbrausende „Welle der Solidarität“.
Die blasen auch die Einwohner der Gemeinde Haselbachtal kräftig
an: Zunächst mit Sachspenden für Pirna und Umgebung, schließlich
mit Geld. Seit dem 16. August wird gesammelt. Bis Mittwoch kamen
23 000 Euro zusammen. „Das ist natürlich überwältigend“,
so Margit Boden, Bürgermeisterin besagter Gemeinde. Und: „Das
ist eine Verpflichtung für uns, das Geld ordentlich an den Mann
zu bringen.“
Deshalb sah sich Boden in Begleitung ihrer
Stellvertreter Christoph Günzel und Michael Kastner vorgestern
im Müglitztal um. „Sie werden vielleicht schockiert sein von
dem, was sie sehen — aber im Vergleich dazu, wie es vor drei
Wochen aussah, ist es jetzt schon wieder wie gekehrt und
gebohnert“, sagt Jens Kluger, der die Gäste durchs Gelände führt.
Kluger ist Bauingenieur und wohnt in Dittersdorf, einem Ortsteil
von Glashütte. Er lernte Margit Boden über seinen Gersdorfer
Kollegen Lutz Müller kennen, mit dem die Gemeinde Haselbachtal
zusammenarbeitet.
Und tatsächlich sind die ersten Eindrücke von
Schlottwitz im Vergleich zu bekannten Bildern relativ harmlos.
Die Schienen sind teilweise noch vom Schlamm begraben, eine
Schranke stakst wie ein geknickter Strohhalm aus der Erde,
ebenso ein Andreaskreuz, eine Straßenlaterne. Das wahre Ausmaß
der Katastrophe offenbart sich nur wenig später: Dort, wo die Müglitz
in ihrer Sturm- und Drang-Zeit Haushälften abfetzte, ist nur
noch Fassungslosigkeit. Und nachdem größtenteils das
Hochwasser-Chaos beseitigt ist, greift schon das nächste: nämlich
das Durcheinander der Spendenverteilung. Wer bekommt was und wie
viel, wer hat es am nötigsten, wer will sich bereichern?
Fragen, die Ortsansässige noch am besten beantworten können.
So wie Uwe Ahrendt aus Glashütte. Der Geschäftsführer
des Nobeluhren-Herstellers Nomos gründete eine Woche nach der
Flut die Spendenhilfe
Glashütte e.V. Zusammen mit den 23 000 Euro aus dem
Haselbachtal hat der ehrenamtliche Verein jetzt schon über 100
000 Euro gesammelt. Sie werden an private Haushalte verteilt.
Genau das wollen Margit Boden und ihre Stellvertreter. Das Geld
aus Bischheim, Häslich, Gersdorf, Möhrsdorf, Reichenau und
Reichenbach soll Familien aus Schlottwitz, dem schwer
betroffenen Ortsteil von Glashütte, zugute kommen. Wie zum
Beispiel den Peisskers. Der Keller von Familienvater Udo wirkt
unheimlich wie eine feuchte Ziegelgruft. Seine Frau hat das
Ganze nicht gut verkraftet, der Sohn muss arbeiten. Und der
abgemattete Mann selbst? Wie soll es nun weiter gehen? Peissker
kurz: „Schau mer mal.“
Rafael Barth
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