Am Abend des 13.August (gegen 19 Uhr) war am Bahnübergang zur
Cunnersdorfer Straße kein Durchkommen. Die Müglitz brodelte
nun schon seit dem Nachmittag des vorherigen Tages auf der
ganzen Breite durch das Tal:
Das Bild wurde von Herrn Harald Weber aus
Cunnersdorf zur Verfügung gestellt.
Die Sächsische
Zeitung am 12.10.2002 zu den Ereignissen am 12.August in
Schlottwitz:
Ein böser
Wolf, der in der Ecke sitzt und knurrt
Ronny Kühnel leitete den
Fluteinsatz in Schlottwitz
Ronny Kühnel erinnert
sich noch im Detail an die Zeit vor zwei Monaten. „Ich war am
12. August vormittags noch in Glashütte und habe spaßeshalber
meinen Kollegen Veit Hanzsch gefragt, ob wir ein paar Sandsäcke
füllen sollen.“ Eine Stunde später begann der
Hochwassereinsatz. „So etwas will ich nicht wieder erleben.
Wir werden vom Erzählen leben, aber haben muss ich das nicht
noch einmal“, sagt der 31-jährige Kühnel. Schon als
Schuljunge war er bei den jungen Brandschutzhelfern aktiv in Bärenstein,
wo er herstammt. Mit 16 Jahren wurde er aktives Wehrmitglied,
absolvierte verschiedene Lehrgänge, wohnte dann in Glashütte
und später in Schlottwitz. Dort wurde 1999 ein Wehrleiter
gesucht, weil sein Vorgänger wegzog. Kühnel hatte mit anderen
jungen Kameraden das Heft in die Hand genommen. Die
erforderlichen Lehrgänge hatte er, so wurde er im Jahr 1999 zum
Wehrleiter gewählt.
Inzwischen wohnt er
selbst in Dresden, bleibt aber in Schlottwitz aktiv. Er hat noch
ein Grundstück im Müglitztal und ist fast täglich hier.
„Man muss schon für die Aufgabe als Feuerwehrmann geboren
sein. Es gehören doch eine Menge Entbehrungen dazu. Man sieht
viel Leid, das geht einem schon an die Nieren. Da ist das
Wegkehren einer Ölspur noch richtige Sonntagsarbeit“, sagt Kühnel.
Zurzeit leitet der gelernte Dachdecker die ABM-Arbeiten in
Schlottwitz.
Das Feuerwehrauto
kam nicht an gegen den Strom
Wieviel Leid er im
August miterleben musste, hätte er sich vorher nicht gedacht.
Als am 12. August die Müglitz stieg, begann ab 10 Uhr die
Feuerwehr in Schlottwitz die Brücken zu kontrollieren. „Wir
haben die ersten Äste rausgezogen. Die richtig dicken Tropfen
waren deutlich zu spüren“, erinnert sich Kühnel. Die
Feuerwehr begann dann ernsthaft Sandsäcke zu füllen, holte
sich noch das O.K. vom Bürgermeister, damit auch jemand den
Sand bezahlt.
Zum
Einsatz-Schwerpunkt in Schlottwitz wurde schnell die alte Brücke
bei der Firma Söhner. Hier sahen die Männer, wie die Müglitz
binnen einer Stunde um mehr als einen halben Meter stieg. Kühnel
sorgte dafür, dass die Einrichtung im Kindergarten hoch geräumt
wurde, er sprach Schaulustige an, damit sie helfen.
Mit ihren Privatautos
waren Feuerwehrleute unterwegs, um die verschiedenen Brücken im
Ort zu kontrollieren. Kurz nach 13 Uhr kam die Nachricht, dass
der Prießnitzdamm in Glashütte gefährdet ist. Dann hieß es:
Autos raus aus Schlottwitz. Ein Anruf ging an die Polizei, damit
sie Zufahrten sperrt.
„Wir erwarteten
dabei immer, dass von woanders noch Kräfte dazukommen. Wir
wussten ja nicht, dass es überall so zugeht“, berichtet Kühnel.
„Manchmal standen wir bis zur Brust im Wasser und haben uns
mit dem Seil gesichert. Bis es hieß, der Damm in Glashütte
bricht.“ Das Feuerwehrauto kam gegen die Strömung nicht mehr
voran. Da suchten die Wehrmänner einen erhöhten, sicheren
Platz an der Minigolfanlage in Oberschlottwitz und gingen am
Hang durch den Ort. Sie kamen nicht mehr ganz durch.
Füße aufgeweicht,
teilweise eitrig
Gegen Abend blieben
erst der Strom, dann das Telefon weg. Am Dienstag floss die Müglitz
wie ein breiter Strom durch das ganze Tal. Hier einzugreifen
ging über menschliche Kräfte. Wichtig war nur noch,
Menschenleben zu retten. „Wir haben die Hubschrauberstaffel
angefordert. Mittags sind sie gekommen. Dann evakuierten sie ein
Haus. War ich froh. Aber als ich dann hörte: Vier Leute wollten
nicht mit, die sind im Haus geblieben, wurde mir wieder ganz
schlecht“, berichtet Kühnel. Dumpf rauschte das Wasser.
„Das klang wie ein böser Wolf, der in der Ecke sitzt und
knurrt, als ob er jeden Moment losbeißen wollte“, beschreibt
Kühnel seinen Eindruck.
Als am Mittwoch der
Regen nachließ, war eine Streife des Grenzschutzes wieder der
erste Kontakt zur Außenwelt, erinnert sich Kühnel. Bürgermeister
Frank Reichel beauftragte ihn, den Katastropheneinsatz in
Schlottwitz zu leiten. In drei Abschnitte teilte er den Ort ein,
um Überblick zu behalten. „Ich staune ja auch, dass alle
Kameraden bei dem Einsatz gesund geblieben sind. Wir kamen ja
nicht aus den nassen Sachen raus, die Füße waren aufgeweicht,
teilweise eitrig. Aber es ist alles gut gegangen“, sagt Kühnel
heute.
Es ging zuerst um die
Versorgung mit dem Lebensnotwendigsten, Wasser wurde
eingeflogen, die Bundeswehr baute eine Feldküche auf. Mit
erfahrenen Helfern von außerhalb, beispielsweise einem
pensionierten Mitarbeiter des Bundeskriminalamts, dem
Ortschaftsrat und vielen Helfern arbeitete ein lokaler
Krisenstab in Schlottwitz. „Wir haben dabei auch viele Leute
kennen gelernt. Jetzt konnten wir die Kontakte noch nicht
pflegen, aber ich denke, da entstanden Freundschaften, die länger
halten.“
von Franz Herz
Anmerkung:
Das diese Freundschaften länger hielten, zeigen unter anderem
die weiteren Kontakte zu den Mitarbeitern des
THW Neuburg.
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