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"Original" (ca. 300 kB = 1024x768 Pixel) Die Müglitz toste am Abend des 13. August noch wie ein reißender Hochgebirgsfluss: 
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Das Bild wurde von Herrn Harald Weber aus Cunnersdorf zur Verfügung gestellt.

In der Sächsischen Zeitung vom 20.August fand man folgenden Bericht:

Im Tal der Müglitz blieb kein Stein auf dem andern – weder in Weesenstein noch in Schlottwitz

Karin Großmann und Rainer Kasselt

Die Straße ein Loch. Die Wiese ein Fluss. Der Bahndamm eine Müllhalde. Aber heute sieht es doch gut aus, sagen die Schlottwitzer. Vor einer Woche ist die Müglitz über den Ort gerast. Sie kam blitzschnell herangeschossen, in wenigen Stunden. Und blieb. Die Müglitz blieb, knickte Laternenpfähle um, trieb Baumstämme in Fenster, ein übermütig gewordener Riese, der sich breit und fett machte in den Häusern der Menschen. „Von Montag zu Dienstag wurde es Nacht, von Dienstag zu Mittwoch wurde es Nacht, und dann wieder Nacht, und keiner kam“, sagt Steffen Kragl. Der 31-Jährige hatte sich auf den Wäscheboden zurückgezogen. Einmal brachte ein Hubschrauber Wasser, gutes Wasser, sagt Kragl. Aber sonst: Stille. Am Freitag begann die Stille zu stinken.

Die Prominenz tauchte anderswo auf

In den beiden Nachbarorten war da längst Prominenz aufgetaucht in kleidsamen Regenjacken und regierungsamtlichen Gummistiefeln. Glashütte, ein Name von Weltrang, passender Hintergrund für Politikbetroffenheit. Weesenstein, wie das Schloss überm Abgrund steht, es ist furchtbar, aber es kommt gut rüber am Bildschirm. Selbst EU wurde kurz eingeflogen. Aber wer kennt schon Schlottwitz. Keine Kulturtradition, kein Uhrenerbe, kein nichts. Eine tausendjährige Eibe gilt kaum als Mediensensation. Eine Hirschsteigkoppe kann einen Wahlkämpfer nicht wirklich schmücken. In den ersten Tagen der Katastrophe waren die Schlottwitzer auf sich selbst angewiesen. Die Bundeswehr reiste an, ist auch schon wieder fort. Aber dann kam das Technische Hilfswerk, mit Gulaschkanone aus Plauen und fünfzehn Männern aus Bayern, „klar helfen wir, alles ehrenamtlich“, sagt Schlosser Erwin Dittenhausen. Polizisten aus Thüringen kamen und am Wochenende viele Helfer aus Dresden. Freundschaftlich mischt sich Bayerisches, Vogtländisches, Sächsisches. Das wird später mal Sprachforscher ins Grübeln bringen.

Ein Später gibt es in Schlottwitz noch nicht. Nur ein Jetzt. Ein Morgen muss es geben. Jetzt heißt für Steffen Kragl, dass er sein Auto, das ein Bagger aus der Erde grub, abmelden muss. Bitte bis halb zwölf, denn die Behörden bestehen auf ihrer Dienstzeit. Jetzt heißt für ihn, eine Schlafgelegenheit zu suchen. Auch ein Stuhl wäre gut. Als Tisch nutzt er eine Tür, die ist sowieso verzogen. In seiner Wohnung hängt das weiß lackierte Oberteil eines Küchenschrankes. Darauf steht eine Pfeffermühle. Darunter hängen zwei bunte Topflappen. Mehr hat der Müglitzschlamm in der Erdgeschosswohnung nicht übrig gelassen. Hemden und Hosen hat die Exschwiegermutter gewaschen, sie kocht Kaffee, sie kümmert sich, Kragl erzählt es gerührt. Am Wochenende waren junge Leute gekommen aus Dresden-Laubegast. Nicht einmal ihre Namen kennt er. Sie haben gemeinsam Keller und Wohnung gesäubert. Als sie gingen, lagen vierhundert Euro auf dem Türbrett. Kragl hat sie ihnen wieder in den Rucksack gesteckt. „So hoch stand das Wasser“, sagt er und legt die Handkante an die Stirn. Er scheint gefasst, unheimlich gefasst, es ist die Ruhe vor der Verzweiflung. Vor seinem Fenster liegen mindestens achtzehntausend Euro im Dreck. Die Couchgarnitur, die neue Schrankwand. Der Mann hatte nach sieben Jahren gerade wieder Arbeit gefunden. Er kocht in einer Firma im Ort. „Am Dienstag hätte es Gulasch gegeben“, sagt er langsam. Als wollte er sich eine Erinnerung bewahren.

In der Backstube blieben ein paar Teigschaber

Nicht Gulasch, sondern Erbseneintopf isst Schlottwitz an diesem Montag, am achten Tag nach der Flut. Die Konserven wurden von Helfern gebracht. Auch in der Bäckerei stehen einige Dosen. Im Regal Marmeladengläser. Alles, was sonst zu einer Bäckerei gehört, wurde vernichtet. Zucker und Salz, Butter und Mehl, Wiener Böden und englische Kuchen, runde Kuchen und ... ja. Anja Degenkolbe resigniert beim Aufzählen. Die junge Frau hat mit ihrem Freund vor zwei Wochen die Meisterprüfung abgelegt. Sie arbeitet im Laden des Vaters. Laden und Backstube haben sie vor einigen Jahren erneuert: „Wir waren gerade aus dem Gröbsten heraus.“ Jetzt stehen die Maschinen. Zerstört. Ein paar bunte Teigschaber stecken an der Wand.

Bäcker Degenkolbe belieferte Läden das Müglitztal hinauf und hinunter. Wenig blieb von Bäckerei, Läden und Tal. Und was für eine romantische Gegend. Wie hat der Park geblüht hinterm Schloss Weesenstein, rot und weiß. Was mag aus dem Esel geworden sein. Aus der steinernen Blumengöttin. „Bloß nicht dran denken“, sagt eine grauhaarige Schlottwitzerin. Sie weiß ja nicht einmal, wo ihre Nachbarin ist. Vermisst, sagt einer, tot geborgen, ein anderer. Es ist die hohe Zeit für Gerüchte. Jeder weiß eines. Jeder hat etwas gehört. Panik steckt an. Hier gibt es Grund dazu. Wie sich vor Häusern die Müllberge türmen, Angeschwemmtes und Weggeräumtes. Wie die Asphaltstraße an der Seite abbricht und plötzlich endet im Fluss. Gerade versinkt der Mittelstreifen. Wie der Gestank zunimmt und hängen bleibt unterm warmen Sommerhimmel, in diesem absurd netten Wetter. Der Abfluss funktioniert noch nicht überall, auch nicht der Strom.

Am Laternenpfahl steht: „Vielen Dank“

Fast jedes Haus ist in Schlottwitz betroffen. Manches steht noch zur Hälfte. „Bis dort drüben, wo jetzt das andere Ufer ist, reichte unser Spielplatz, er war ganz neu“, sagt Kindergartenchefin Ilona Kochel. Die vierzig Kinder waren gerade noch rechtzeitig abgeholt worden. Dann kam die Flut. Die Müglitz gehört nicht auf den Spielplatz. Trotzdem sollen im Kindergarten in den nächsten Tagen die Kleinen wieder betreut werden. „Es geht, es muss gehen“, sagt auch Lehrerin Petra Glauch. Sie war im Stadtamt von Glashütte und hat Anträge zur Soforthilfe geholt, 120 zunächst, mehr schaffte der Kopierer nicht. Unterm Vordach ihres Hauses richtet sie mit Stift und Schreibblock ein provisorisches Büro ein. Es gibt einige andere Frauen um die 30, 40, die den Alltag zu organisieren versuchen. Eine koordiniert die Helfer und Spenden, eine andere notiert, was am dringendsten gebraucht wird. Nein, die Namen tun nichts zur Sache, sagen sie, es ist das Selbstverständliche. Geschickt oder gebeten hat die Frauen niemand.

Das ist das Wunder: Wenn solche Menschen gebraucht werden, gibt es sie mit einem Mal, sie wachsen über sich hinaus, sie trauen sich etwas zu, was sie vielleicht von sich nicht erwartet hätten. Wunder allerdings können auch sie nicht vollbringen. Seit Freitag bittet Bernd Modrok von der Freiwilligen Feuerwehr um schwere Technik. Die Berge von Unrat müssen aus dem Ort. Sie türmen sich auf den Gleisen der Müglitztalbahn, manchmal daneben, wenn die Gleise frei überm Wasser hängen. Gestern kamen die ersten Container. Keine Maschinen zum Beladen. Zwei junge Männer aus Dresden stehen vor Modrok, mit Schaufeln: „Sollen wir hier mitmachen?“ Ja. Bitte. Am Ortsausgang hängt ein Schild am Laternenpfahl, mit großen Buchstaben bemalt: „Vielen Dank an alle Helfer. Die Schlottwitzer.“

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