Irgendwie ist es schon ein eigenartiges Gefühl, wenn ein alter
Baum zu Boden fällt:
Doch was sind solche Hochwasserschäden gegen
die menschlichen Opfer dieser Katastrophe. So berichtete die
Sächsische Zeitung in ihrer Ausgabe vom 07.09.2002 von dem
sicher schmerzlichsten Verlust, den das Hochwasser in
Schlottwitz hinterließ:
„Die Mutti sitzt jetzt auf einer Wolke“
Ein dreijähriger Junge kann nicht verstehen, was die Müglitz
seiner Familie angetan hat
Der Mann sitzt im Sessel und kann nichts sagen.
Er kämpft mit den Tränen und schüttelt ab und an fassungslos
den Kopf bei dem Gedanken an seine Tochter. Am 12. August
ertrank Anette Marx in den Fluten der Müglitz.
Ehemann Roger Marx findet zuerst die Worte
wieder. Er erzählt vom letzten Abschied seiner Frau: „Sie war
an diesem Tag nur kurz angebunden“. Am Nachmittag rief er sie
an, sie solle so schnell wie möglich nach Hause kommen, das
Wasser steige unaufhörlich. Das war ihr letzter Kontakt. Unten
in Schlottwitz musste sie ihr Auto stehen lassen; vermutlich
wollte sie zu Fuß das Haus erreichen, welches direkt an der Müglitz
steht. Doch das erreichte sie nicht mehr. Ein Mann soll noch
gesehen haben, wie von den reißenden Fluten fortgerissen wurde.
Er wollte sie retten, stürzte sich in das Wasser, bekam sie
sogar zu packen. Doch dabei wurde er gegen einen Baumstamm
geschlagen und verlor die Frau.
Zu diesem Zeitpunkt hatten Roger Marx und seine
Helfer es schon aufgegeben, das Wasser aus dem Haus abzupumpen.
Nun wuchsen die Sorgen um seine Frau. Noch hoffte er, dass sie
sich in ein Haus oberhalb des Flusslaufes habe retten können.
Da aber inzwischen auch die Telefonleitungen tot waren, konnte
er sich nicht vergewissern. Nach drei Tagen Warten machte sich
Roger Marx auf die Suche. Aber er fand nur das abgestellte Auto.
Erst am Abend des 20. August wird die Leiche der Frau in Mühlbach,
weit unterhalb von Schlottwitz, im Geröll gefunden.
Die Flut hat der Familie die Tochter, die
Ehefrau und die Mutter genommen. Roger Marx erzählt von seinem
Sohn. Robert ist drei Jahre alt. „Die Schwiegermutter passt
auf den Kleenen auf. Seit dem Unglück stottert er noch viel
mehr“, sagt Marx. Die 19-jährige Tochter soll demnächst nach
Dresden ziehen, um dort in der Nähe ihrer Tante in Ruhe ihre
Ausbildung zu absolvieren. „Hilfe kommt von allen Seiten.
Besonders viel Spielzeug für den Kleenen, das verträgt der gar
nicht auf einmal“, sagt Roger Marx. Vor allem aber verstehe er
nicht, dass seine Mutti nicht mehr nach Hause kommt. „Er hat
sich langsam wieder gefangen“, berichtet der Vater. „Ich
habe ihm erzählt, dass seine Mutti da oben auf einer Wolke
sitzt und guckt, ob er artig ist“.
Benjamin Anwand
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