Spaziergang zur Kalkhöhe
Man hat den Eindruck, der Holzapfelbaum würde unter der Last seines Alters
und des Raureifs bald zusammenbrechen. Aber noch trotzt er Jahr für Jahr
diesen Unbilden. Möge er uns noch lange erhalten bleiben. Nicht nur wegen
seines eigenwilligen Wuchses, sondern auch wegen der Schutzwürdigkeit von
Malus-sylvestris-Vorkommen insgesamt. Diese Baum-Art erweckt aus ganz
praktischen Gründen das Interesse der Wissenschaft, wie sich dies auch in
einer Ausarbeitung widerspiegelt, die am
Institut für Obstzüchtung Dresden-Pillnitz (Bundesanstalt für
Züchtungsforschung an Kulturpflanzen - BAZ)
angefertigt wurde:
Das genetische Potential von Malus sylvestris
Sein genetisches Potential besteht vor allem in dem
Vorhandensein einer guten Mehltauresistenz. Einige Bäume scheinen
zusätzlich schorfresistent zu sein. Gerade diese Eigenschaften stehen aber
im Mittelpunkt der modernen Obstzüchtung, die durch Ausnutzung von
Resistenzquellen die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln drastisch
einschränken will und auf diesem Wege schon beachtliche Erfolge zu
verzeichnen hat.
Merkmalsträger von Resistenzen sind immer erwünscht,
gleich aus welchem Verwandtschaftskreis sie stammen. Es sind bereits
Kreuzungen durchgeführt worden, um die Vererbbarkeit der Resistenz zu
testen. Die mögliche Einbindung in die praktische Züchtung macht Malus
sylvestris in diesem Falle zu einem guten Beispiel einer unmittelbaren
Nutzung einheimischer genetischer Ressourcen.
Der taxonomische Status von Malus-Wildbäumen
Die im Freiland fern von menschlichen Ansiedlungen
angetroffenen Malus-Bäume sind durchaus ungleichartig. Dabei scheinen im
Gebiet etwa 50% der Bäume den "echten" Malus sylvestris zu repräsentieren
mit
-
fast kahlen Blütenorganen (Blütenstiel, Fruchtknoten,
Kelchzipfel außen)
-
fast kahlen Blattstielen, Blättern und Sprossachsen
-
kleinen, meist zwischen 24 und 30mm großen Früchten
Die anderen Formen zeichnen sich durch eine stärkere
(bis filzige) Behaarung der angegebenen Organe und größere Früchte (vor
allem über 35mm) aus. In dieser Gruppe ist die Abgrenzung gegen
Kultursämlinge (aus Samen einer Kultursorte hervorgegangene Pflanzen)
nicht immer möglich. Erhaltenswert sind alle diese Formen, da sie mit
Sicherheit Genmaterial von Malus sylvestris enthalten.
Durch die unbegrenzte Kreuzbarkeit von Malus sylvestris
und seinen Hybriden mit Kulturäpfeln (die im Flugradius der Bienen bei uns
immer zusammen vorkommen) ist längerfristig mit einer "Verdünnung" der
Malus-sylvestris-Merkmale (=genetische Drift) zu rechnen.
Erhaltungsmaßnahmen zielen nicht nur auf die physische Bewahrung der Bäume
ab, sondern auch darauf, die genetische Drift mindestens einzuschränken.
Allgemeine Verbreitung und Ökologie
Malus sylvestris kommt mit Ausnahme der nördlichsten
und südlichsten Teile in ganz Europa vor. In Deutschland weit verbreitet
und stellenweise nicht selten, bevorzugt der Wildapfel jedoch deutlich
weniger stark vom Menschen beeinflusste Gebiete. So sind
Verbreitungsschwerpunkte einmal wenig gestörte Auwälder, andererseits
extensiv genutzte Landschaften im Gebirge und Vorgebirge.
Durch seine geringe Konkurrenzkraft im Vergleich mit
anderen bodenständigen Waldbäumen ist er in seiner Ansiedlungsmöglichkeit
und seinem Fortbestand auf genügend lichte Standorte angewiesen
(Waldränder, Gebüsche, Feldgehölze, Steilhänge, Steinrücken). Das macht
ihn in gewissem Sinne zum Kulturfolger. Durch seine Austriebsfreudigkeit
aus bodennahen Stammteilen und Wurzeln kann er an einem Standort sehr
lange - vielleicht mehrere hundert Jahre - überdauern, sofern ständig
genügend Licht zur Verfügung steht.
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