Vorheriges Bild Hochwasser 2002 in Glashütte (Sachsen) Nächstes Bild

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"Original" (ca. 400 kB = 1921x1440 Pixel) Zum Glück blieb das Denkmal mitten in diesem Chaos stehen:
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Hart traf es viele Firmen. Dazu schrieb die Sächsische Zeitung am 19.08.2002:

Glashütte: Eine Stadt zwischen Hoffnung und Resignation
Das Hochwasser hat viele Firmen an den Rand des Ruins getrieben / Neue Kredite kann niemand gebrauchen

Viele lange Jahre schon hing das kleine Schild über dem Eingang zur Brückenmühle in Glashütte. Und je länger es hing, desto weniger wurde es beachtet: „8.7.27“ steht darauf, mehr nicht. An jenem 8. Juli vor 75 Jahren rauschte eine Flutwelle durch das Müglitztal, wie sie die Menschen nie zuvor erlebt hatten. Drei Meter hoch bedeckte sie den Hof der damaligen Pappenfabrik. Zwei Menschen seien in dem Inferno gestorben, wissen die heutigen Bewohner, Familie Gietzelt, vom Hörensagen. „Klar, dass uns am Montag schon alle abgeschrieben hatten.“ Aber die Gietzelts hatten Glück: Während sie sich nach hinten auf den Berghang retteten, erreichte das Wasser diesmal nicht mal die unteren Fensterbänke. „Wir wurden behütet, andere hat es viel schwerer getroffen.“

Die Autos verschwanden auf Nimmerwiedersehen

Beispielsweise Daniel Gaffron, der gleich daneben eine Autowerkstatt betreibt. Zwei Pkw hat es fortgespült, die Werkstatt stand einen Meter unter Schlamm. Am Sonnabend war davon nur ein dunkler Rand an der Wand zu sehen. Freunde haben dem jungen Firmenchef beim Aufräumen geholfen. „Das Gröbste haben wir schnell erledigt, das Putzen wird wesentlich länger dauern.“ Dass er weitermachen wird, steht für Gaffron fest; wann das sein wird, liegt aber nicht in seiner Macht: „Wir brauchen Strom, Wasser, Telefon – bis jetzt haben wir nichts davon.“ Drüben auf der Straße ist die Telekom beim Reparieren. „Wir machen aber nur die Hauptleitung von Glashütte nach Liebstadt“, sagt ein Techniker, „die Hausanschlüsse werden dauern.“

Auch Gerold Kühnel würde lieber heute als morgen wieder zum gewohnten Tagesgeschäft übergehen. Kühnel nennt ebenfalls einen Kfz-Service sein Eigen – oder das, was die Flut davon übrig ließ. Elf Autos – Neu- und Gebrauchtwagen – sind auf Nimmerwiedersehen verschwunden, darunter das seiner Frau. „Die Kundenfahrzeuge konnten wir noch rechtzeitig aufbocken.“ Gegen 15 Uhr kam dann das Wasser, an eine Flucht war nicht mehr zu denken. Erst am nächsten Morgen wurden die Leute von einem Hubschrauber geborgen. „Noch so eine Nacht würde ich nicht mehr durchmachen wollen“, sagt der Meister, während er einen verdreckten Luftfilter auf den Müll wirft. Der Schaden? „Eine halbe Mille, alles in allem.“

Die Straße im Müglitztal sieht aus wie nach einem Bombenangriff. Asphalt hängt in der Luft, Wasser drückt durch die Schleusen, Schlamm hat sich breit gemacht. Nur mühsam bahnen sich die wenigen Autos, die bis hierher durchgelassen wurden, den Weg. Zur Produktionshalle der Firma Söhner jenseits der Müglitz gelangte man bis vor einer Woche über eine Brücke. Jetzt liegt sie im Fluss. Die neue Zufahrt führt über einen Platz, wo eigentlich ein Anbau entstehen sollte. Daran denkt nun keiner mehr. Unermüdlich schaufeln zwei Bagger das Flussbett frei, damit die Halle trocken liegt und bald mit Beton gestützt werden kann. „Wir müssen so schnell wie möglich wieder produzieren“, sagt Geschäftsführer Steffen Söhner. Die Firma sei Alleinlieferant für Mercedes und BMW, mehr müsse man dazu nicht sagen. Nicht weniger Sorgen macht Söhner die Produktionsstätte im sechs Kilometer entfernten Schlottwitz. „Dort kommt man im Moment nur auf Waldwegen hin.“

Maschinenpark muss komplett ersetzt werden

Kaum ein Betrieb hat in Glashütte die Flut ohne Schaden überstanden, manche stehen vor dem Ruin. Und jeder hat sein ganz spezielles Problem. Der Luxus-Uhren-Hersteller Lange & Söhne ist relativ glimpflich davon gekommen; jetzt muss die Firma Transporte organisieren, damit die Mitarbeiter wieder zur Arbeit gelangen können. Bei der Sächsischen Uhrenindustrie Glashütte (SUG) muss dagegen der komplette Maschinenpark ersetzt werden. „Die Flutwelle von der Prießnitz prallte mit voller Wucht gegen den Bahnhof und von dort zurück auf unseren Betrieb“, berichtet Geschäftsführer Ronald Boldt. „Und dann kam noch das Wasser der Müglitz.“ Boldt, der sich als „typischer Existenzgründer“ bezeichnet, sieht sich um die Arbeit von drei Jahren betrogen. Mindestens vier Monate werde es dauern, bis er wieder produzieren könne. So lange gelte es zu überleben. „Aber wer zahlt mir die Betriebsunterbrechung?“

Nomos-Geschäftsführer Uwe Ahrendt hat eine Laser-Gravier-Maschine eingebüßt, den gesamten materiellen Schaden schätzt er auf 150 000 Euro. Glück im Unglück: Im Bahnhof, den Nomos erst kürzlich zur Erweiterung der Produktion gekauft hatte, befanden sich noch keine Geräte. „Jetzt rücken wir ein bisschen zusammen, und dann sehen wir weiter.“ Alle Kollegen sollen sich heute, 8 Uhr im Betrieb einfinden; vielleicht noch in dieser Woche können einzelne Abteilungen die Produktion wieder aufnehmen.

In der Kartonagenabteilung von Paka geht es bereits heute wieder los. Mitarbeiter und viele Helfer, darunter eine Kirchgemeinde aus Dresden, haben in den vergangenen Tagen das noch verwertbare Material vom durchnässten sondiert. Die dicken Ballen im Lager, obwohl in Folie eingeschweißt, sind nur noch Altpapier. „Das Wasser kriecht durch alle Ritzen“, sagt der Geschäftsführende Gesellschafter, Eckehart Klemm. Gesamtschaden: etwa 200 000 Euro. Mit Krediten, und seien sie noch so billig, sei ihm aber nicht geholfen.

Im „Silberstollen“ regiert der Galgenhumor

Das sagte er auch dem Ost-Beauftragten der Bundesregierung, Rolf Schwanitz, der am Freitagnachmittag mit dem Hubschrauber nach Glashütte eingeflogen war: „Für den Ersatz der vernichteten Güter brauchen wir Zuschüsse und Zulagen. Alles andere ist kontraproduktiv.“

Der Gast versprach, sich in Berlin für das Anliegen einzusetzen. „Ich werde dafür plädieren, die Gemeinschaftsaufgabe Ost für solche Dinge zu öffnen, im Sinne eines Starthilfeprogramms.“ Die Glashütter Firmenchefs hörten es wohl, blieben aber skeptisch. Steffen Söhner: „Mein Albtraum ist, dass wir vergessen werden, sobald die Katastrophe weitergezogen ist.“

Familie Richter hat die Hoffnung bereits aufgegeben. Ihre Gaststätte „Zum Silberstollen“ – „nur gepachtet, zum Glück“ – befand sich im Keller und ist jetzt eine einzige Schlammwüste. „Die taugt nur noch für Erlebnisgastronomie.“

von Steffen Klameth

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